Freitag, Januar 19, 2007

Erster Unterstuetzer-Kreis-Brief

Lieber UnterstuerzerInnen-Kreis,

nach einer knappen Woche folgt nun mein erster Bericht ueber meinen Einsatz als Menschenrechtsbeobachterin fuer die Organisation IPON (International Peace Observers Network) auf den Philippinen.

Von Frankfurt aus bin ich auf die Philippinen geflogen und dem deutschen Winter entflohen. In Manila wurde ich von meiner Passauer Freundin Kristine abgeholt und konnte die erste Nacht bei ihrer Familie verbringen, bevor ich am Freitag die anderen Observer meines Teams im Buero der Organisation PARRDS (Quezon City) getroffen habe.

Nachdem sich meine Teammitglieder Sarah, Christian und Andreas von ihren Fluegen erholt haben sind wir am naechsten Morgen mit dem Bus weiter nach Lucena gefahren, das auf halber Strecke zwischen „unserer“ Halbinsel Bondoc und Manila liegt. In Lucena hat uns das erste Observer-Team empfangen, um uns noch ein dreitaegiges Einfuehrungsseminar zu geben, bei dem sie vor allem die Doerfer, deren wichtigen Personen und die aktuelle Situation beschrieben haben.

Direkt am zweiten Tag in Lucena haben wir einen Termin bei SOLCOM, dem Southern Luzon Command des Militaers (AFP) bekommen. Dort haben wir General Parayno getroffen, bei dem wir uns einerseits „der Hoeflichkeit halber“ vorstellen mussen und von dem wir andererseits auch eine Art „Freibrief“ haben wollten. Um in der Region nicht staendigen Militaerkontrollen ausgesetzt zu sein, gefilzt oder verhoert zu werden, ist es nun ganz praktisch dieses Schreiben zu haben – auch wenn es eine gewisse Kooperation mit dem Militaer bedeutet. Anders geht es aber leider nicht. Das Militaer ist auf Bondoc zur Zeit sehr praesent und aktiv, weil die kommunistische Guerilla (NPA) dort wieder an Staerke gewinnt. In diesem Kampf zwischen Guerillas und Militaers sind natuerlich allzu oft die Bauern die Opfer.

Unseren Besuch beim Militaer haben die Buschtrommeln schnell zu den lokalen Medien getragen – kaum drei Stunden spaeter standen die ersten Reporter bei uns vor der Tuer. Sie haben es natuerlich nicht so direkt gesagt, wollten von uns aber wissen, ob wir Menschenrechtsverletzungen gegen das Militaer dokumentiert haben. Das erste Beobachter-Team hat die beiden auf den offiziellen Abschlussbericht vertroestet, der in den kommenden Tagen fertiggestellt wird...

Nach dem Seminar waren wir dann heute noch einkaufen, denn morgen geht es nach Bondoc, bzw. „in die Area“ wie es im Beobachter-Slang heisst. Wir werden fuer unsere eigene Versorgung Lebensmittel mitnehmen. Das erste Beobachter-Team wurde zwar von den Bauern stets gut versorgt, aber zum Einen haben sie trotz ihrer grossen Armut keine Bezahlung dafuer akzeptiert und zum Anderen gibt es nach dem schweren Taifun kaum noch Nahrungsmittel auf Bondoc. Die Bauern leben derzeit von den „Relief Goods“, also der Notversorgung, die von der Regierung zur Verfuegung gestellt wird. Wie wenig von dieser Hilfe allerdings tatsaechlich bis in die getroffenen Regionen kommt haben wir schon am eigenen Leibe erlebt: Auf jeder Macht-Ebene zweigen sich die Verantwortlichen ein bisschen ab – als wir uns ueber die riesige Menge von Konservendosen mit Sardinen in unserem Kuechenschrank gewundert haben, haben uns unsere Gastgeber von der NGO QUARDDS gesagt, dass dies eben „Relief Goods“ seien.

Morgen werden wir nun, in aller Fruehe, zum ersten mal nach Bondoc fahren. Um es den Bauern einfacher zu machen, halten wir zunaechst die Geschlechtertrennung ein, denn Maenner und Frauen duerfen nicht in einer Huette schlafen – eine logistische Herausforderung, vor allem weil wir auch taeglich die gastgebende Familie wechseln werden, um niemandem zu sehr zur Last zu fallen. Fuer Sarah und mich geht es um 5 Uhr los nach San Andres und San Narciso, Christian und Andreas muessen sich schon um 3 Uhr auf den Weg nach Nilantangan (San Francisco) machen. Ihr Weg in das Gebiet des Grossgrundbesitzers Matias wird vor allem dadurch erschwert, dass die Strecke zwischen San Francisco und Nilantangan mit dem Boot zurueckgelegt werden muss. Matias hat seine gesamten Laendereien eingezaeunt und bewaffnete Goons (angeheuerte Schlaeger) an den Zaeunen positioniert. Da die Strasse zwischen den beiden Gemeinden durch Matias’ Land fuehrt, ist sie unpassierbar geworden und die Menschen muessen auf Boote zurueckgreifen, um die Halbinsel zu verlassen.

Sarah und ich koennen zwar mit dem Bus fahren, haben dafuer aber nach der sechsstuendigen Fahrt noch einen zweistuendigen Fussmarsch durch die Berge vor uns, bis nach Malubigan. Ausserdem werden wir die Orte Arumahan und Lomboay besuchen. Von Lucena aus wird auch Danilo Cortez mit uns reisen. Er hat bei QUARDDS in Lucena Unterschlupf gefunden, nachdem er Ende Oktober von den NPA-Guerillas bedroht wurde. Ohne Begleitschutz wagt er sich nicht mehr zu seiner Familie zurueck. Unsere Praesenz gibt ihm ein Gefuehl der Sicherheit, so dass er zumindest fuer wenige Tage seine Familie in Malubigan besuchen kann.

Was genau uns aber in den „Areas“ erwartet werden wir morgen sehen. Es wird sicherlich nicht das angenehme Leben sein, das wir selbst hier in Lucena noch leben. Zwar gibt es weder fliessendes Wasser noch Strom, dafuer befindet sich aber in der Naehe jeder Ortschaft immer eine Stelle, an der es Empfang fuer die Mobiltelefone gibt. Jeden zweiten Nachmittag werden wir zu einer dieser Stellen gehen (die meist auf den Bergen liegen!) und zwischen 16 und 17 Uhr (9-10 Uhr deutscher Zeit) erreichbar sein. Meine Nummer hier ist die 0063 927 229 228 1, falls mich jemand erreichen will.

Waehrend wir „Neuen“ noch in den Doerfern sein werden, wird das erste Beobachter-Team zurueck nach Lucena fahren. Dort werden sie an ihrem Abschlussbericht arbeiten und ausserdem einen ARD-Korrespondenten aus Singapur treffen, der fuer drei Tage nach Lucena kommen wird, um ueber unser Projekt zu berichten.
Am 19. Januar werden wir schon wieder zurueck nach Lucena und weiter nach Manila fahren, weil wir dann dort Treffen mit den Vertretern offizieller Stellen haben. Wahrscheinlich wird es dann den naechsten Bericht geben.

Bis dahin wuensche ich allen alles Gute!

Viele Gruesse,
Macht’s gut & bis bald!

Carolin