Mittwoch, März 14, 2007

Dritter UnterstuetzerInnen-Kreis-Brief

Liebe UnterstützerInnen,

mit etwas Verspätung melde ich mich nun nach meiner zweiten Reise als Menschenrechtsbe-obachterin für das International Peace Observer Network (IPON) auf die philippinische Bondoc-Halbinsel. Zusammen mit meinem Kollegen bin ich wieder in die Kreise San Narciso und San Andres gefahren und habe dort in elf Tagen 13 Dörfer besucht. Anschließend haben wir unsere Reise an die Westküste Bondocs ausgedehnt und sind nach Nilantangan im Kreis San Francisco gefahren. Dort war ein KMBP[1]-Bauern durch einen Goon[2] des Landbesitzers schwer verletzt worden.





Wie schon bei der ersten Reise nach Bondoc haben die Bauern uns auch dieses Mal wieder von vielen Schikanen durch die Landbesitzer und Menschenrechtsverletzungen durch den philippinischen Staat berichtet. Die Bauern der KMBP kämpfen – auf friedliche Weise – um ihr eigenes Land, dessen Verteilung durch das CARP[3] geschehen soll.
In den Orten Matikol und Banaba (San Andres) ist diese Verteilung des Landes an die Kokosbauern vom DAR[4] bereits angeordnet worden. Insgesamt 207 Hektar Land beanspruchen die Grossgrundbesitzer Hilarion, Alfredo und Adelina Tan dort. 103 Hektar davon sollen laut Anweisung des DAR umverteilt werden, doch der MARO[5] hat nur 55 Hektar an die Bauern gegeben – laut deren Aussage wird er von den Landbesitzern bestochen. Das größere Problem für die Bauern der MTBFA[6] ist jedoch die Ausweisung des Landes: Die für sie vorgesehenen 103 Hektar bestehen vor allem aus landwirtschaftlich nur schwer nutzbarem Land. Die Böden sind unfruchtbar, sehr steinig, stark ausgewaschen und oft in steiler Hanglage. Die Parzellen mit guten Böden, die von den Bauern seit bis zu 30 Jahren mit Baum- und Strauchkulturen (Kokos, Mango, Banane) bestellt werden, sind nun in den von der Landreform ausgeschlossenen 104 Hektar enthalten. Die Tans beanspruchen sie als Weideland für ihre Rinderfarm. Wir konnten jedoch auf dem dicht bepflanzten Land kein Vieh sehen, zudem liegt den Bauern eine schriftliche Bescheinigung vor, dass seit dem Jahr 2004 kein Vieh mehr auf der Hochebene gehalten wird.


„...Auf eine Weise fördert auch

der philippinische Staat die Gewalt:

durch seine Fehlnisse darin, das Land

zu verteilen, Sozialleistungen zu

erbringen und es den Menschen zu

ermögichen ein wüdiges Leben zu leben.”

Danny Carranza,
PEACE Organisation


Der Bauernführer aus Matikol hat uns außerdem davon berichtet, dass im Jahr 2004 der Farm-Verwalter der Tans eine Rinderherde über seine Bananenplantage getrieben hat, um so die Pflanzen zu zerstören und den Bauern dazu zu zwingen seinen Landantrag zurückzuziehen.

Auch in den Orten Balugbog und Malumbong (San Narciso) klagen die KMBP-Bauern über den MARO und PENRO[7]. Seit fast zehn Jahren warten sie darauf, dass ihre Anträge auf das Land bearbeitet werden. Hier gibt es allerdings keine Schikanen durch die Landbesitzer, obwohl das Abgabensystem seit zehn Jahren boykottiert wird. Viele Bauern in anderen Dörfern werden durch ständige Anzeigen wegen Kokosnussdiebstahls von den Großgrundbesitzern schikaniert, werden wie Schwerverbrecher verhaftet, sitzen oft monatelang im Gefängnis und müssen stark überhöhte Kautionen aufbringen[8]. Derzeit gibt es 81 offene Haftbefehle gegen KMBP-Bauern auf Bondoc.

Im Dorf Libas (San Narciso) gibt es einen Sonderfall, hier hat der örtliche Bauernführer zehn Goons des Landbeitzers Manuel Uy wegen Morddrohungen angezeigt. Seine beiden Amtsvorgänger in Libas sind bereits ermordet worden. Um den Gerichtsprozess zu beobachten haben wir den Bauernführer zu einer Anhörung in San Narciso begleitet, der Prozess wurde jedoch erneut vertagt – nun soll die Verhandlung am 12. März stattfinden.

Neben ihren Problemen wegen der Landreform beschäftigen die Bauern Bondocs derzeit vor allem die im Mai anstehenden Wahlen. Der Landbesitzer und Bürgermeister von San Narciso, Victor Reyes, will Kongressabgeordneter werden, dieser mögliche enorme Machtgewinn bereitet den Bauern große Sorge. Die Bürgermeister-Wahlen in San Narciso nehmen sie hingegen schon mit (Galgen-)Humor: Zur Wahl stellen sich Kit Reyes, Sohn von Victor Reyes, und Alin Uy, Ehefrau von Manuel Uy.

Im Ort Nilantangan, Kreis San Francisco, ist Cenen Matias der Landlord. Im Gegensatz zu den Familien Reyes und Uy hat er keine Ambitionen auf öffentliche Ämter und geht wohl auch deshalb skrupelloser gegen die Bauern auf dem von ihm beanspruchten Land vor. In den vergangenen Jahren kam es zu zahlreichen gewaltvollen Übergriffen auf die KMBP-Bauern in der Region San Francisco. Zudem hat Matias das Dorf Nilantangan eingezäunt und so von der Außenwelt abgetrennt – ohne Landfriedensbruch zu begehen ist es nur auf dem Seeweg erreichbar. Nachts streifen seine Goons durch den Ort und immer wieder gibt es Berichte von Drohungen und Angriffen. Matias Ziel ist vermutlich die Verteibung der Bauern, um das Farmland behalten und ein Strand-Resort errichten zu können.

§

Artikel 3:

Jeder Mensch hat das Recht

auf Leben, Freiheit und

Sicherheit der Person.

Auf der Hacienda Matias kam es nun zu einem erneuten schweren Angriff auf die Bauern. Der Goon Otoy Peros hat versucht den Bauern Heliolito „Yoly“ Abrenica zu töten. Auf dem Heimweg von einer Anhörung vor Gericht wurde der 43-Jährige in Nilantangan von Peros mit einer Machete angefallen. Als Abrenica, der einen Reissack auf dem Rücken trug, versuchte sich in Sicherheit zu bringen wurde er von der Machete am Rücken und am Kopf getroffen, wodurch er zu Boden fiel. Auf dem Rücken liegend versuchte er sich mit den Armen vor den Schlägen mit der Klinge zu schützen, dabei wurde seine linke Hand abgehakt.

Der Angreifer konnte erst durch das Eingreifen des Schwagers und der Ehefrau von Yoly Abrenica gestoppt werden, verließ dann den Tatort als wäre nichts gewesen, wie Augenzeugen berichten.

§

Artikel 7:


Alle Menschen sind vor dem Gesetz

gleich und haben ohne Unterschied

Anspruch auf gleichen Schutz gegen

jede unterschiedliche Behandlung [...].


Abrenicas Transport in das Krankenhaus nach Lucena musste von den Bauern selbst organisiert werden. Die Fahrt – ohne Schmerzmittel und ärztliche Versorgung – dauerte rund neun Stunden. Abrenica ist mittlerweile nicht mehr in Lebensgefahr und wurde aus dem Krankenhaus entlassen.

Zusammen mit seiner Frau, die in Folge der Ereignisse eine Fehlgeburt erlitten hat, wohnt er zur Zeit im QUARRDS-Büro in Lucena und erholt sich.
§Der Angreifer ist trotz unmittelbar erfolgter Anzeige bei der zuständigen Polizei in San Francisco weiterhin auf freiem Fuss. Gegenüber den IPON-Beobachtern gab die Polizei an ohne Haftbefehl nicht tätig werden zu können, doch auch nach philippinischem Recht ist eine vorläufige Festnahme von Tatverdächtigen – zumal hohe Fluchtgefahr besteht – möglich. Die Bauern Nilantangans berichten zudem, dass die Polizei noch nie in den Ort gekommen sei, um ihnen zu helfen; auch die Polizei werde vom Landbesitzer Matias bestochen.

Auch aufgrund der Bemühungen von IPON hat der Fall in Nilantangan ein relativ großes Medienecho auf den Philippinen gefunden. Die negativen Schlagzeilen haben Cenen Matias wohl dazu gebracht seine Goons vorläufig aus Nilantangan abzuziehen. Mehr als eine Woche lang waren sie zu einer Besprechung in Lucena, wo Matias seinen Wohnsitz hat.
Während dieser Zeit konnten die Einwohner Nilantangans wieder unbehelligt ihrer Arbeit nachgehen und auch das abgesperrte Land auf dem ihre Kokospalmen stehen betreten ohne zuvor den Wachposten fragen zu müssen. Auch ich habe das Land in dieser Zeit betreten, um einige Fotos zu machen. Nach wenigen Minuten kam jedoch ein Soldat des 74. Infanterie-Bataillons auf mich zugelaufen, hat mir das Fotografieren verboten und mich des Landes verwiesen. Die Bauern Nilantangans haben vor einigen Jahren um die Errichtung eines Militärcamps zu ihrem Schutz gebeten. Jenes Camp wurde allerdings in dem abgesperrten Bereich auf Matias Privatland errichtet. Die Bauern haben schon viele Beschwerden gegen die Soldaten erhoben, die nicht neutral seien und oft gemeinsam mit Matias’ Goons durch den Ort streifen würden.

Vielen Dank für ihr Interesse und ihre Unterstützung,

Carolin Reintjes
[1] Kilusang Magbubukid ng Bondoc Peninsula, die Bauernvereinigung der Bondoc-Halbinsel, die von den Menschenrechtsbeobachtern IPONs begleitet wird.
[2] Mitglied einer paramilitärischen Gruppe, die von den Landbesitzern angeheuert und ausgebildet wird, um im rechtsfreien Raum Bondocs den Willen des Großgrundbesitzers durchzusetzen.
[3] Comprehenive Agrarian Reform Program, das Agrarreform-Programm schreibt eine Verteilung von öffentlichen und privaten Landflächen an die Bauern vor. Großgrundbesitzer müssen weite Teile ihrer Ländereien an die Pächter abgeben, letztere können maximal drei Hektar große Parzellen Land besitzen.
[4] Department of Agrarian Reform, DAR, zuständig für die Vergabe von Landtiteln.
[5] Municipal Agrarian Reform Officer, der auf Gemeinde-Ebene zuständige Mitarbeiter des DAR.
[6] Matikol Banaba Tikbi Farmers’ Association, die lokale Untergruppe der KMBP.
[7] Provincial Environment and Natural Ressources Officer, der auf Provinz-Ebene zuständige Mitarbeiter des Umweltministeriums.
[8] Viele Kautionen können von der Agrarian Justice Foundation Inc. (AJFI) in Manila übernommen werden. In deren Statistik aus dem Jahr 2006 sind die Bauern Bondocs mit Abstand die Spitzenreiter bezüglich der Anzahl von Verhaftungen und der Höhe der angesetzten Kautionen.